Ein Nicht-Wort-Sein-Können, das heraus will.
In Lyrik im Wort, wie im Bild zwischen Farbe und Strich. Rätsel, Aufforderung, Gespräch mit der Welt.
Und Gespräche mit Menschen, wie Richard (Richie *1) Pestemer, der mir die Magie des Moments zwischen den Zeilen mit seinen Zeilen geschenkt hat, als er mir nach meinem kleinen lyrischen Auftritt auf Lothars Fest(*2) – sein soeben signiertes Buch* voller Zwischenzeilenaugenblicke entgegen hielt.
Magisch.
Danke für Deine Zeilen und für diesen Augenblick .
Christine Bretz
*1: Richard (Richie) Pestemer. Verantwortlicher Redakteur von www.tacheles-regional.de
*2: In Hünringhausen (Ortsteil von Bergneustadt am 21.August 2021) / Festivalwiese “Thomas Müntzer” auf dem Subsistenz -Bauernhof von Lothar Gothe
*3: Seelenblicke – Haikumomente
CHRISTINE BRETZ
Vielleicht seelenverwandt
Du triffst den Ton
in jeder Lage
zwischen den Zeilen hindurch
direkt ins Mark
und alles was ich in mir trage
schwingt ungleich mit
löst mich gleich auf
wird stark und fragt
hat eine Ahnung davon
dass deine Zeilen in denen der Ton erklingt
keine Meilen entfernt sind
von meinem Sehnen
in dem er versinkt
Das Lied
Mein Tag will Akkordeon spielen.
Er will tanzen im Jetzt,
mich mittags auf den Berg hinauf führen,
umarmen und singen,
unverletzt dort den Himmel berühren,
denn er bereitet ein Fest, jenseits der Zeit,
denn die Zeit steht jetzt still,
sie wartet auf mich.
Ausgebremst lässt der Wettlauf mein Ego im Stich.
Auf dem Berg gibt der Tag den Tag frei.
Er liegt mir zu Füßen.
Er lenkt meinen Blick ein Stück weit ins Tal.
Ich rufe und lasse es grüßen,
schaue genauer,
denn ich hab keine Wahl:
Die Welt liegt aus den Angeln
vor mir unten im Feld
und ich frage mich,
was mich eigentlich hält.
Ohne Aussicht auf Gäste bin ich hier oben mit meinem Himmel allein.
Was wird wohl in den einsamen Häusern dort unten los sein?
Ich stelle mir Fragen und suche die Antwort in mir.
Mein Himmel ist fern,
denn gute Antworten finde ich nur zusammen mit dir.
Mein Blick schweift hinaus und bleibt im Innersten stehen.
Das, was ich ahne, will ich nicht sehen.
An den Enden der Welt liegen Welten in Fetzen und diese Enden reichen überall hin.
Sie werden verletzen.
Macht mein Lied auf dem Berg da noch Sinn? Oder läuft es Gefahr
seelenlos bloß im Nichts zu verschwinden
und meine Augen vor den Enden der Welt zu verbinden?
Ich warte und merke:
Mein Tag will das Lied und er singt es mir vor.
Vögel und Wind setzen ein
und ein drängender, flehender Chor
aus Träumen lenkt meinen Blick zurück auf die Wiesen im Tal
und zum zweiten mal zu blühenden Bäumen,
die vor Farben erschäumen, als wollten sie sagen:
Dein Lied muss es wagen.
Wir wollen nicht brennen.
Dein Lied will dir sagen:
Packt diese Enden, rollt sie auf.
Ihr dürft euch nicht länger verrennen.
Lasst den Egos nicht weiter frei ihren Lauf zu endloser Gier.
"Denn" - und das sagen die Bäume zu mir -
"Noch sind wir hier."
Gewinnmaximierung
Unter anschlagsweit gespannter Kupppel,
zwischen fort gesprengtem Skrupel
klettern wir im leeren Raum
immer weiter hoch auf der Gewinnerleiter
und runter vom Erkenntnisbaum.
Fieberhaft bringt unser Ehrgeiz uns zum Ziel.
Wir wollen immer mehr,
und davon möglichst viel.
Um auf halber Strecke nicht zu scheitern,
bringen wir zur Strecke, was im Weg liegt,
was uns hindert, unsere Siege zu erweitern.
Mit Entschlossenheit
erfüllen wir den Soll von maximaler Gier.
Mit Selbstverständlichkeit
zahlen wir den Zoll von Menschlichkeit und dem freien „Wir.“
Wir lernen, unsere Angst zu überwinden,
indem wir immer wieder Gründe finden, vor uns selbst zu fliehen
und unsere Rücksichtslosigkeit
mitsamt den Weichen auf unserem Weg
auf keinen Fall zu sehen.
Mit Leichtigkeit schwimmen wir im Überfluss,
gehören, dank des Raubzugs zu den Fetten
und sagen, Nur auf diese Weise sei es möglich, unsere Haut zu retten.
Hinauf auf den Gipfel
Beim Erklettern des Berges aus Gold
sind wir gesichert mit einem Seil aus Geld
Wir schauen nicht zurück
denn wer Rücksicht übt
fällt
Unser Blick ist nach oben gerichtet
und unser Klimmzug ist schnell
gnadenlos
hart
mit wachsendem Fell.
Der Reichste wird der Erste sein
denken wir
Das dickste Seil hält
Wir ahnen nicht
dass jede Verstärkung aus Mehrwert nichts bringt
wenn der Berg bricht
weil er um sein Leben ringt
Economy first
Der Weg in die Sackgasse
die zum Abgrund führt
durch Corona hindurch
bis zum Klimakollaps
und dem Zeitpunkt
an dem unsere Welt an Geld erstickt
ist keine Einbahnstraße.
Aber mit Scheuklappen im Gesicht
und eingeschränkter Sicht allein auf Karriere
bleiben Nebenwege verborgen hinter einer Barriere
aus Angst vor dem Fall.
Überall und für alle, die im Wettbewerb stehen.
Also für alle.
Denn unser Slogan heißt: Economy first!
Der uns blendet und hindert, zu sehen
dass neue Pfade dann Routen werden, wenn wir sie gehen.
Gelächter
Erst:
Andauerndes Gelächter aus Ehrgeiz
Dann: Dreißig Minuten
Heulen aus Trauer um die Welt
Ein Hohn aus Bitterkeit im Herzen des Metzgers,
der seinen Beruf nicht mehr ausüben wollte,
ohne seine gewohnte Bahn zu verlassen.
Und mache
Und mache ihn
möglichst hart,
damit er zu diesem Krieg passt,
damit er die Menschen im Krieg
vor Menschen, wie ihm beschützen kann
und es ihm möglich ist,
ohne zu zögern
zu töten.
(angelehnt an „Heilungsvollzug“ von Erich Fried)
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